Im Namen des Herrn: Wie modern ist die katholische Kirche? – Folge 5
Wir leben in einer Welt, die sich ständig weiterentwickelt, die nicht still steht, sondern immer in Bewegung ist. Unsere Gesellschaft verändert sich, wir werden mit neuen Technologien überschüttet und mit schwierigen Problemen, wie Krankheiten, Kriegen und dem Klimawandel konfrontiert. Wir verändern unsere Ansichten, wir gendern, werden toleranter, offener und moderner. Wir erforschen den Weltraum, greifen nach den Sternen, bauen uns ein wissenschaftliches Weltbild auf, suchen nach Antworten im ganz Großen, wie im ganz Kleinen. Und inmitten dieser sich ständig verändernden Welt steht die katholische Kirche, eine Glaubensgemeinschaft, die sich immer noch an Riten, Gesetze und einen Glauben von vor tausenden Jahren klammert. Wie lässt sich das verbinden? Hat die Kirche noch eine Chance weiter zu bestehen? Oder ist sie in dieser modernen Welt überhaupt noch überlebensfähig?
Die Kirche und die Wissenschaft
„Und sie bewegt sich doch“. Das waren die Worte, die Galileo Galilei 1632 gemurmelt haben soll, als er das Gericht in Rom verließ, welches ihn gezwungen hatte, seine Theorie, die besagt, dass sich die Erde um die Sonne dreht, zu widerrufen. Damals war ein Konflikt entstanden, zwischen der religiösen und der wissenschaftlichen Weltanschauung, zwischen der Erde und der Sonne als Mittelpunkt unseres Sonnensystems. Es hatte mehr als dreieinhalb Jahrhunderte gedauert, bis die Kirche endlich mit dem Fall Galilei Frieden schließen konnte, als Papst Johannes Paul II 1992 den Wissenschaftler nach 13-jähriger Arbeit einer Kommission, die diesen Fall aufgearbeitet hatte, rehabilitierte, also ihn und seine Theorie anerkannte.
Aber die Frage nach dem Mittelpunkt unseres Sonnensystems steht sinnbildlich für den Konflikt der katholischen Kirche mit der Wissenschaft. Den größten Teil des Mittelalters schuf die Kirche ein Weltbild von Himmel und Hölle, oben und unten, Gott und Mensch. Als allerdings die Wissenschaft neue Erkenntnisse schuf, wie zum Beispiel auch die Evolutionstheorie von Darwin, reagierte die Kirche weniger erfreut. So wurde der italienische Philosoph Giordano Bruno, der eine Theorie von einem unendlichen Universum veröffentlicht und die heilige Dreieinigkeit geleugnet hatte, im Jahr 1600 als Ketzer verbrannt. Trotzdem ließen sich diese wissenschaftlich belegten Erkenntnisse natürlich nicht ewig leugnen, weswegen die Kirche die Theorie der Evolution 1996 ebenfalls akzeptierte. Mittlerweile gibt es sogar eine Akademie im Vatikan, die sich mit wissenschaftlichen Themen auseinandersetzt und diese auch dem Papst mitteilt. Allerdings wird es für die Kirche immer schwieriger, den Menschen offene Fragen religiös zu beantworten, die Wissenschaft dringt mittlerweile in jedes Gebiet vor, vom Urknall bis zu außerirdischem Leben, Atomforschung oder der Entstehung des Menschen. Wo die Kirche jahrhundertelang Antworten gegeben hat, wird sie immer weiter von der Wissenschaft verdrängt. Wenn man diesen Gedanken zu Ende denkt, muss sich die katholische Kirche die Frage stellen, was noch am Ende für sie übrigbleibt. Vielleicht wird eines Tages die Wissenschaft alles erklärt haben und einen Gott und seine Lehre als Antwort für ungelöste Fragen überflüssig machen. Oder vielleicht wird Gott genau das entscheidende Bindeglied sein zwischen Kirche und Wissenschaft, der letzte übrige Teil, der nur religiös begründbar ist. Es wird spannend zu sehen sein, in welche Richtung sich Glaube, nicht nur auf die katholische Kirche bezogen, im Verhältnis zur Forschung in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird. Die katholische Kirche wird einen klaren Standpunkt beziehen müssen.
Homosexualität
Gerade bei jungen Menschen wird die Kirche immer unattraktiver, so sind zumindest die Ergebnisse einer 2018 von der EKD-Synode veröffentlichten Studie, laut der Gott und die Kirchengemeinde nur noch für rund fünf Prozent der unter 18-Jährigen eine Rolle spielte. Das mag nicht nur an langen Gottesdiensten, gestelzter Sprache und alten Gebäuden liegen, sondern auch an stark veralteten Verhaltensweisen im Umgang mit Homosexualität und Toleranz. Diese Generation, die Bewegungen wie LGBTQ hervorgebracht hat und eine große Offenheit beweist, stößt bei der katholischen Kirche auf monströse Rückstände. Immer noch werden Schwule für das Priesteramt abgelehnt, da Homosexualität als Sünde und als unnatürlich angesehen wird. Viele Priester trauen sich nicht sich zu outen, aus Angst ihren Job zu verlieren. Auch werden gleichgeschlechtliche Paare immer noch nicht gesegnet, dürfen also nicht kirchlich heiraten. Und auch wenn sich Papst Franziskus bereits gegen die Diskriminierung von Homosexuellen ausgesprochen hat, sagt er, dass die Kirche das Ehesakrament für Homosexuelle nicht ändern könne. Es wird sich wohl in der Hinsicht vorerst leider nicht viel ändern.
Die Rolle der Frau
Die Ursünde, das Essen des Apfels vom verbotenen Baum, beging eine Frau, Eva, so steht es in der Bibel. Auch berichten sämtliche Erzählungen in der Heiligen Schrift von Geschehnissen von vor über 2000 Jahren – und damals hatten die Menschen ein ganz anderes Rollenbild von der Frau. Allerdings klammert sich die Kirche immer noch an dieses vollkommen veraltete Frauenbild, und da hat sich ja allein schon seit dem 20. Jahrhundert unfassbar viel getan. Frauen ist es nicht erlaubt, Priesterin zu werden und Predigten abzuhalten, geschweige denn noch höhere Ämter zu beziehen, das ist seit Jahrhunderten nur den Männern vorbehalten. Das begründet die Kirche oft mit Stellen aus der Bibel, welche natürlich in einer Zeit verfasst wurden, in der die Frau noch einen ganz anderen Stellenwert in der Gesellschaft hatte. Allerdings überträgt die Kirche die Gegebenheiten in eine Zeit 2000 Jahre später, in der wir der Frau weitaus mehr Gleichberechtigung und Achtung entgegenbringen. Damals allerdings war Jesus männlich, hatte 12 Jünger und keine Gemahlin. Damals ordnete sich die Frau dem Mann in der Familie unter, und auch wenn sie dennoch einen Stellenwert hatte, war sie trotz alle dem zweitrangig. Das teilt natürlich die innere Kirchengemeinschaft selbst auf, man könnte sogar sagen in eine erste Kategorie von Männern, welcher es erlaubt ist, wichtige Entscheidungen zu treffen und die Gemeinde anzuführen. Dieser ersten Gruppe untergeordnet ist die zweite Kategorie, die Gruppe der Frauen, die folgen müssen und höchstens mitreden dürfen. Von Gleichberechtigung kann da keine Rede sein.
Verhütung und Sexualität
Sexualität ist ja in der Kirche bereits ein schwieriges Thema. Der Missbrauch, die Diözese, die Rolle der Frau, der Umgang mit Homosexuellen. Hinzu kommt ein weiteres heikles Thema, die Verhütung. Spätestens seit der Erfindung der Pille in den 1960er Jahren ist die Gemeinde auch hier wieder gespaltener Meinung. Die katholische Kirche erlaubt sexuelle Handlungen nur im Rahmen der Ehe und sie dürfen nur der reinen Fortpflanzung dienen. Außereheliche Sexualität oder Masturbation wird als „unnatürlich“ angesehen, und so auch sämtliche Verhütungsmittel, geschweige denn Abtreibung. Dabei gründet sich der Begriff „unnatürlich“ erschreckenderweise auf mittelalterliche Scholastik, also Denkweisen von vor hunderten Jahren. Einen wichtigen Teil spielt auch die Enzyklika „Humanae Vitae“ von Papst Paul VI. In dieser wird Verhütung als verwerflich dargestellt. Zitat: „Ebenso ist jede Handlung verwerflich […], die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel“. In einer modernen und offenen Welt, die viele Möglichkeiten und Vielfalt im Bereich Sexualität bietet, setzt die Kirche hier bis heute starke Grenzen, die ihre eigenen Mitglieder einengen und beschränken.
Meinung
Die katholische Kirche verliert immer mehr Mitglieder, das mag auch daran liegen, dass sie in dieser sich schnell verändernden Welt noch an sehr vielen alten Verhaltensweisen festhält, die teilweise Jahrtausende zurückliegen. Dabei könnte es ihr zum Verhängnis werden, dass sie, während sich alles um sie herum verändert, zu lange stehen bleibt, sich zurückhält und den Anschluss, gerade an die junge Generation verliert. Auf lange Sicht könnte sie so weiter an Einfluss und Relevanz verlieren, bald braucht es keine Veränderungen mehr, sondern eine Revolution, komplett von Grund auf.
von Marius Menschick
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