Organspende – eine Entscheidung über Leben und Tod

Bereits in der Print-Ausgabe haben wir über einige wichtige Fragen zum Thema Organspende geklärt. Wie angekündigt findet ihr nun hier die Antwort auf die zwei offenen Fragen. Einmal, worum es sich genau bei dem Transplantationsskandal handelt und zum anderen, weswegen ihr unbedingt immer einen ausgefüllten Organspendeausweis – unabhängig davon, ob ihr „JA“ oder „Nein“ angekreuzt habt – mit euch tragen solltet.

Was war der Transplantationsskandal und welche Auswirkungen hatte er?

„Organspendeskandal: Eine Aufgabe für den BGH“ (Fokus online 2015)                                                                         „Mitten ins Herz – Manipulationsverdacht am Herzzentrum in Berlin“ (Süddeutsche 2014)            „Organspendeskandal – Ärzte ohne Ethos?“ (die Zeit 2013)

Die Schlagzeilen großer deutscher und internationaler Zeitungen und Magazine zum Organspendeskandal sind so häufig wie negativ. Nachdem im Juli 2012 die ersten Medien berichten, dass ein ehemaliger leitender Transplantationsmediziner im Universitätsklinikum Göttingen in 25 Fällen Krankenakten gefälscht haben soll, weitet sich der Skandal immer weiter aus. Immer wieder kommen neue Details zum Vorschein und neue Kliniken kommen in den Verdacht. Auch hier in München wurde mehrmals manipuliert.

Manipulationen hier in München

So ist ein ehemaliger Oberarzt des Klinikums rechts der Isar angeklagt worden. Laut der Staatsanwaltschaft München soll er Blutwerte von drei Patienten manipuliert haben, weswegen ihm versuchte gefährliche Körperverletzung in drei Fällen vorgeworfen wird.

Auch dem Klinikum Großhadern werden Manipulationen vorgeworfen. Offiziell bestreitet das Klinikum diese Vorwürfe, doch ein Patient ist sich sicher „Natürlich wurde dort manipuliert“ (Süddeutsche Zeitung 2015) und auch in einem Bericht der Prüfungs- und Überwachungskomission (PÜK) heißt es, dass bei mindestens 17 Patienten „bewusst und gewollt“ gegen die Richtlinien für Herztransplantationen verstoßen wurde.

Betrachtet man die Zahlen der gespendeten Organe in Deutschland und vergleicht die Zahlen der transplantierten Organe zwischen 2012 und 2015, zeichnet sich ein Einbruch um 16,8 % ab (Jahresbericht 2015 der DSO; erschienen 2016). Man kann anhand dieser Zahlen klar erkennen, dass das Vertrauen in der Bevölkerung stark gesunken ist.

Hier wurde manipuliert: Das Klinikum Großhadern der LMU und das Klinikum Rechts der Isar als betroffenen Zentren in München

Wo liegt die Ursache für solchen Betrug?

Schwer ist zu sagen, was die Beweggründe für diese Manipulationen waren. Während Herr PD Dr. Arbogast vor dem Interview äußert, dass manche Ärzte die Manipulationen sicher aufgrund der persönlichen Verbundenheit mit dem Patienten, aufgrund von Mitleid begangen haben, ist sich Prof. Thorban sicher:

„Aus meiner Erfahrung, bzw. nach meinen Erkenntnissen ist es so, dass derjenige, der das gemacht hat, dass die Verantwortlichen nicht unbedingt Patienten helfen wollten. Sondern es ging nur darum die Zahlen an Transplantationen zu steigern, genauso wie den persönlichen Ehrgeiz und Ruhm. Sozusagen als das Transplantationszentrum dazustehen, das die meisten Transplantationen durchführt. Das ist nicht aus irgendwelchen ethischen Gründen geschehen, das ist nicht der Fall gewesen aus meiner Einschätzung, sondern es ging einfach nur um den persönlichen Ehrgeiz und die Zahlen hochzuschrauben. […] Es war nie auch nur ein edler Gedanke dahinter.“

Auch Frau Eder findet drastische Worte für das Geschehene: „Die haben einfach beschissen“. Sie fährt damit fort, nach dem Grund zu suchen, weswegen solche Manipulationen überhaupt möglich waren: „da ist eigentlich fast nie ein System sicher, wenn man es vorher nicht gedacht hat. Jetzt haben wir natürlich Sicherheitsmechanismen. Man hat z.B. das Sechs-Augen-Prinzip (Anm. d. Red.: Es müssen drei Menschen die beurteilen müssen, ob ein Patient auf der Warteliste landet). Aber wenn man mit dem gar nicht rechnet, weil es noch nie passiert ist, dann hat man nicht diese Sicherungsmechanismen“

Was wird in Zukunft dagegen getan?

Tatsächlich gibt es heute diverse Neuerungen bei diesem Thema, welche viel mehr Bürokratie mit sich bringt, aber gerade dadurch das Vertrauen in der Bevölkerung wiederherstellen soll. Auch prüfen unterschiedliche Kommissionen die Vorwürfe und verschärfen regelmäßig die Richtlinien und sorgen für eine schonungslose Aufklärung. Doch bisher hat das offensichtlich noch nicht gewirkt.

Warum sollte ich einen Organspendeausweis tragen?

Stellt euch vor, ihr habt einen schweren Autounfall, ihr landet im Krankenhaus, auf der Intensivstation. Die Ärzte erklären euch für Hirntod und es kommt die Frage auf, ob ihr Organspender werden wollt. Besitzt ihr keinen Ausweis (zur Info: ab 16 Jahren darf man einen eigenen Ausweis besitzen) müssen Eure Angehörigen entscheiden, ob eure Organe gespendet werden, oder nicht. Für die ist das häufig ein großer Druck und sie möchten sich nicht falsch entscheiden. Wenn ihr ihnen also diese Last der Entscheidung abnehmen möchtet, dann sollten ihr einen Organspendeausweis besitzen oder mit ihnen darüber sprechen. Denn völlig unabhängig davon, was ihr da jetzt ankreuzt helft ihr euren Verwandten. Dementsprechend erklärt Frau Eder: „Man nimmt den Angehörigen ungeheuren Druck, denn so eine Entscheidung zu treffen, ist schwierig“.

Organspendeausweis als Versicherung gegen die Organentnahme in Ländern mit der Widerspruchslösung

„Wenn jemand Gegner der Organspende ist – und auch diese Haltung ist natürlich erlaubt und wird auch von mir nicht gegeißelt, sondern das ist letztlich eine persönliche Einstellung, die man niemandem vorschreiben kann und auch darf“, stellt Herr PD Dr. Arbogast klar. „empfehle ich nur jedem, dann auch einen Organspendeausweis mit Nein anzukreuzen und mit sich zu führen. Denn wenn Sie nach Österreich fahren oder nach Belgien oder einem anderen Land mit der Widerspruchslösung, dann sind Sie automatisch dem dortigen Gesetz unterworfen und wären automatisch Organspender, es sei denn, man findet bei Ihnen ein Kärtchen, auf dem Nein steht.“

Eindeutige Entscheidung für oder gegen Organspende zur Unterstützung der Angehörigen

„Man soll sich zumindest damit auseinandersetzen“, meint Prof. Thorban und spricht damit das wichtigste überhaupt an. Wenn man sich nicht selber darüber im Klaren ist, was man jetzt von der Organspende hält, ist das einschätzen für Außenstehende schwierig. Zum Glück ist „die Gesetzgebung in Deutschland jetzt auch nicht so eng, dass man sich aktiv dagegen aussprechen muss. Diese Maßnahme, die auch in Deutschland gefordert wird, ist von den Politikern bisher immer abgelehnt worden, weil es die persönliche Freihat dann doch zu sehr einschränken würde.“ Dennoch sollte sich jeder Gedanken darüber machen, ob er Spenden möchte oder nicht, um zumindest seinen Angehörigen zu helfen.

 

Leopold Beer