Freiwilligenarbeit auf einer Insel im Mittelmeer – Erasmus

Juli 2023 – Die Q11 war mit Anbruch der Sommerferien nun endgültig geschafft und ehe ich den Beginn der Ferien realisieren konnte, saß ich schon allein im Flieger auf dem Weg nach Malta.

Malta ist eine Insel im Mittelmeer und befindet sich geographisch zwischen Italien und Nordafrika. Sowohl europäische als auch afrikanisch-arabische Einflüsse sind stark in der Kultur und Sprache Maltas zu spüren. Dazu später mehr …

Wieso hatte es mich überhaupt auf diese wundervolle Insel verschlagen?

Die kurze Antwort wäre “Tiere und die Lust auf Abenteuer”. Genauer gesagt, ich hatte die Möglichkeit, mit Erasm–us einen Auslandsaufenthalt in jeglichem EU-Mitgliedsstaat durchzuführen und dabei finanziell unterstützt zu werden. Ich brauchte lediglich ein Unternehmen oder eine NGO, welche ich unterstützen durfte. Dazu kam dann natürlich noch die Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten.

Diese stellte sich zunächst schwieriger dar als erwartet. Obwohl meine Erasmusbeauftragten und ich das Planen bereits im Winter 2023 angefangen hatten, blieben keine Übernachtungsmöglichkeiten für ganze vier Wochen, welche ich dortbleiben wollte, übrig. Resultat war, dass ich drei Mal umziehen musste. Dies stellte sich jedoch rückblickend als sehr wertvoll aus, denn dadurch hatte ich die Möglichkeit, vielen netten und herzlichen Menschen zu begegnen.

Nachdem ich schlussendlich auch meine von Erasmus unterstützte Organisation „Animal Guardians Malta“ gefunden hatte, stand meiner Freiwilligenarbeit inmitten von Palmen und Meer nichts mehr im Weg.

Aufgeregt und gespannt stieg ich, nachdem ich mich von meiner Familie am Flughafen verabschiedet hatte, in den Flieger und war innerhalb von zwei Stunden in meinem neuen Zuhause für vier Wochen. Der strömende Regen in München, der kurzzeitig sogar den Start meines Fluges verhinderte, wurde durch Sonne und eine glühende Hitze ausgetauscht und mir wurde versichert, dass ich nun fern von Deutschland und meinem alltäglichen Leben war.

2019 hatte ich bereits Malta mit meiner Familie besucht und fand Gefallen an der geschäftigen und lebhaften Insel. Trotz bereits einiger Kenntnisse über Malta, stutzte ich erneut, nachdem ich im Bus bemerkte, dass dieser auf der völlig falschen Straßenseite fuhr. Malta war einst britische Kolonie und behielt sich den Linksverkehr bis zum heutigen Tage bei. Allgemein ließen mich die schmalen und steilen Gassen glücklich schätzen, hier nicht die Führerscheinprüfung machen zu müssen. Mit 357.000 Einwohnern auf 245 km² ist Malta das am dichtesten besiedelte Land der Welt. Dies merkt man unzweideutig an den vielen engen Straßen und eng aneinander gebauten Häusern aus typisch maltesischem Sandstein.

Nach kurzen Schwierigkeiten, den passenden Bus zu meinem Hostel zu finden, kam ich schlussendlich um 19 Uhr abends erschöpft in meinem Zimmer an. Ich verzichtete auf das Auspacken, da das Hostel mir nur eine Nacht als Schlafort dienen sollte, stattdessen brach ich auf zu einer Erkundungstour meiner neuen Nachbarschaft. Kurzerhand fand ich mich in einem typisch britischen Pub wieder und bestellte aus lauter Verlegenheit und Erschöpfung von der Anreise eine Apfelschorle. Der Barkeeper, welcher sonst einen Gin Tonic nach dem anderen mixte, schaute mich verwundert an und ließ sich von mir den Inhalt des für ihn unbekannten Getränks erklären. Apfelsaft hatten sie dann zwar nicht, doch stattdessen brachte man mir eine Erdbeerschorle, welche ich zufrieden und leicht amüsiert trank.

Kulturelle Differenzen und Verständigungsschwierigkeiten sind völlig normal am Anfang eines jeden Auslandsaufenthaltes und es bedarf einer gewissen Eingewöhnungsphase in jedem Land. Dies hatte ich bereits bei einem vorherigen Austausch in Kanada gelernt und war daher auch nicht überrascht, als mein Körper schläfrig und erschöpft auf die Hitze reagierte. Mit einem UV-Index von 10 lasse sich nicht spaßen, erläuterte mir Moritz, einer meiner Mitbewohner in meiner Studentenwohnung. Ich teilte mir eine Wohnung zunächst mit zwei weiteren Studenten. Die Wohnung befand sich in der Nähe eines Krankenhauses sowie einer Universität, daher war sie bei internationalen Medizinstudenten sehr beliebt. Moritz absolvierte sein finales Praktikum vor seiner Promotion auf Malta und Kotomi aus Japan befand sich gerade in ihren Semesterferien von dem Economics-Studium auf Malta und verbrachte die freie Zeit in der Wohnung abseits vom Campus. Im Verlauf der Woche stieß noch Angela aus Spanien zu uns, welche genauso wie Moritz Medizin studierte.

Mit einem Alter von 17 Jahren war ich mit Abstand die Jüngste der Wohngemeinschaft. Doch dies hinderte uns nicht daran, gemeinsam Ausflüge zum Strand zu unternehmen. Die Dynamik in der Wohnung war sehr angenehm und vor allem Moritz, welcher gerne für mich kochte, lockerte die Stimmung auf. Dadurch, dass alle etwas älter als ich waren, konnte ich einiges von Ihnen lernen. Moritz, welcher ursprünglich aus Baden-Württemberg stammt, gab mir Insidertipps fürs Abi und erläuterte mir etwas den Studiengang Psychologie, welchen ich als sehr interessant erachtete und er als Nebenfach während seines Studiums hatte.

Mein erster Arbeitstag startete am Montagnachmittag. Da die Organisation sich weiter weg von meiner Wohnung befand und nur schwer mit dem Bus zu erreichen war, wurde ich von Karmen, der Besitzerin der Katzenauffangstation abgeholt. Auf dem Weg zur Station nahmen wir einen weiteren Volunteer mit und kamen als Dreierteam bei den Katzen an.

Die Anzahl der Katzen überraschte mich, Karmen behauptete, es seien um die 300. Ein Tierheim von solcher Fülle und dabei auf solch verhältnismäßig kleinem Raum war in Deutschland unvorstellbar. Karmen erzählte mir, dass die Regierung keine Tierheime finanziell unterstützt und es daher zahlreiche freilaufende Katzen auf Maltas Straßen gibt. Dies ist mir bereits in den ersten Tagen aufgefallen. Diese Überpopulation stellt ein großes Problem für Malta dar, denn alle Heime sind überfüllt, doch Geld für die Tiere gibt es viel zu wenig. Die Tierheime finanzieren sich lediglich von Spenden.

Die erste Schicht erwies sich als entspannt, wahrscheinlich auch, weil ich als Neuankömmling von den schweren Arbeiten zunächst verschont blieb. Im Laufe meines Aufenthaltes vergrößerte sich die körperliche Anstrengung auch für mich, denn Futtersäcke schleppten sich nicht von selbst und die Gehege mussten auch täglich saubergemacht werden.

Während manche Katzen sehr ängstlich und traumatisiert von den Erfahrungen als Straßenkatzen waren, gewöhnten sich andere sehr schnell an mich. Binnen kürzester Zeit bildete sich eine Gruppe von Katzen, welche mich bereits anhand meiner Stimme erkannte und freudig auf mich zulief, um von mir gestreichelt und gefüttert zu werden. Abgesehen von der Arbeit auf der Station als solches, begleitete ich Karmen zur Apotheke, zum Tierwarengeschäft sowie auch zum Tierarzt.

Die Frau war sehr freundlich und sichtlich dankbar für meine Hilfe und die der anderen Teilnehmer. Man merkte, dass dies ihr Herzensprojekt war, denn öfters blieben wir bis spät abends auf der Station, da ihr immer wieder neue Verbesserungen für die Umgebung der Katzen einfielen. Das Mitarbeiterteam bestand aus jungen Maltesern, mit welchen ich mich problemlos auf Englisch unterhalten konnte. Neben Maltesisch, einer Mischung aus Italienisch und Arabisch, ist auch Englisch die Amtssprache Maltas. Daher diente mein Aufenthalt auf Malta nicht nur meiner persönlichen Weiterentwicklung, sondern auch dem Verfeinern meiner Englischkünste.

Die Arbeit in meiner Organisation war trotz der körperlichen Anstrengung bei der Hitze sehr dankbar, dadurch, dass wir in Schichten arbeiteten und das Team rotierte, musste ich meistens nur jeden zweiten Tag arbeiten. Dies ließ mir viel Zeit übrig, um die Insel vollends zu erkunden.

Meine Highlights waren unter anderem die Hauptstadt Valletta, der Sandstrand Ghain Tuffieha und die kleine Insel Gozo. Nach Gozo fährt man mit einem separaten Schnellboot von Valletta aus hin und hat darauf bis spätestens 9 Uhr abends Zeit, die kleine Insel zu erkunden. Malta ist berühmt für sein kristallklares Wasser und der vielfältigen Unterwasserwelt, die gut beobachtbar beim Schnorcheln ist.

Als Gegenpol zur ruhigen Natur diente die Partystadt St. Julians. Das Durchschnittsalter betrug hier 20 Jahre und eine Club reihte sich an den nächsten. Zusammen mit meiner Freundin verbrachte ich den ein oder anderen Abend mitten im nächtlichen Treiben.

Die Studentenwohnung verließ ich schweren Herzens nach einer Woche und wechselte zu meiner finalen Unterkunft bei einer maltesischen Familie. Die restlichen drei Wochen verbrachte ich bei der Familie Locano. Antonia und insbesondere Raymond wuchsen mir sehr schnell ans Herz. Bei dem älteren Ehepaar wohnten fünf weitere Austauschschüler.

Mein Zimmer teilte ich mir mit einer britischen Medizinstudentin, ansonsten wohnten noch Mexikanerinnen, eine Venezolanerin und eine Türkin bei uns in der Wohnung. Allerdings lichtete sich nach zwei Tagen die Wohnung etwas, da beide Mexikanerinnen nach Streitigkeiten mit der Gastfamilie die Wohnung verlassen mussten. Eine Woche nach meiner Ankunft verließ mich auch meine Zimmernachbarin und flog zurück nach England, sodass ich die restliche Zeit ein Einzelzimmer hatte.

An freien Tagen begleitete ich meine Gasteltern mit zu deren Familienausflug zum Meer. Zunächst besuchte Antonia ihre Mutter im Altersheim, während Raymond und ich einen Spaziergang entlang der Promenade tätigten und über Politik und mein Leben in Deutschland eine angeregte Unterhaltung führten. Danach trafen wir uns mit Maria, der Zwillingsschwester von Antonia und gingen zum Strand.  Zu dem Zeitpunkt war uns allerdings noch nicht bewusst, dass dies einer der letzten Ausflüge in dieser Konstellation sein würde.

Knapp fünf Tage vor meiner Abreise nach Deutschland kam ich abends von der Arbeit nach Hause und erfuhr, dass mein Gastvater an demselben Tag unerwartet verstorben war. Es war ein Schock für uns alle, denn Raymond zeigte keinerlei Anzeichen von Erkrankung und schwamm Minuten vor seinem Herzinfarkt noch im Meer.

Die letzten Tage waren somit für alle im Haus sehr schwierig und die Stimmung betrübt. Ich bat Antonia mehrmals meine Hilfe im Alltag an, wollte aber der Familie auch den Raum zur Trauer geben. Daher verbrachte ich die letzten Tage vermehrt draußen, um auch mir Abstand von der angespannten Situation zu geben und trotz des Schocks die letzten Tage auf Malta genießen zu können.

Derartige Schicksalsschläge sind natürlich von niemandem vorherzusehen und haben mir erneut gezeigt, wie wertvoll und doch auch limitiert die Zeit auf dieser Erde ist. Rückblickend würde ich die Zeit auf Malta genauso wiederholen, wie sie schlussendlich gelaufen ist. Denn ich habe nicht nur zahlreiche großartige Menschen kennengelernt, sondern auch über Malta, das Leben als solches und mich selbst dazugelernt.  Ein Austausch mit Erasmus lässt sich von meiner Seite aus nur positiv zu bewerten und ist auf jeden Fall weiterempfehlenswert.